Möwe spiegelt sich im Wattenmeer, Titelbild des Projekts Küstenwandel

Themen-Special: Lebensgemeinschaft Naturgarten

Texte und Bilder, soweit nicht anders gekennzeichnet: Susanne Balduff

Die Natur und ihre biologische Vielfalt bilden die Lebensgrundlage menschlicher Existenz. Doch Arten und Lebensräume sind weltweit gefährdet. Die Ursachen liegen in der Zerstörung natürlicher Landschaften, der Übernutzung von Böden, dem Einsatz von Pflanzengiften, den Folgen der Klimakrise und der Umweltverschmutzungen.


Sie kriechen, krabbeln und fliegen!

Laut der „Krefelder Studie“ ist seit 1989 in großen Teilen Deutschlands ein Rückgang von mehr als 75% der Biomasse an Fluginsekten festgestellt worden. Viele Arten sind bereits unwiederbringlich verschwunden. 46 % der Insektenarten in Niedersachsen (die auf der Roten Liste stehen) sind gefährdet, der Bestand der Wildbienen ist zu 60% bedroht. Insekten haben eine Schlüsselrolle in unserem Ökosystem. Sie dienen Vögeln und anderen Tieren als Nahrung, sind Bestäuber vieler Wild- und Nutzpflanzen und somit auch für unsere Ernährung lebensnotwendig. Um den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen, besteht dringender Handlungsbedarf, der vor allem auf politischer Ebene schnellst möglich umgesetzt werden muss. Aber auch jede kleine Maßnahme leistet einen


Ohne Lebensraum keine Artenvielfalt!

In Deutschland gibt es ca. 15 Millionen Gärten, 67% aller Haushalte haben einen Balkon oder eine Terrasse. Private Gärten haben enormes Potential, denn zusammen sind sie so groß wie alle Naturschutzgebiete in Deutschland, informiert der NABU im neuen Greenpeace -Magazin „Genial Lokal“. Leider überwiegt auch hier eine verarmte Landschaft in Form von einseitigen Zieranlagen, nichtheimischen Gewächsen und Schotterflächen. Denn nach wie vor basiert die Gestaltung von Garten und Landschaft vorrangig auf subjektiver Ästhetik. Der Erhalt oder die Schaffung von Lebensraum und Nahrungsmittelangebot für Vögel, Insekten, Igel und Co. steht nicht ausreichend im Vordergrund. Ein gutes Beispiel ist der ungebremste Garten-Trend bei exotischen Gehölzen. Die meisten nicht heimischen Gehölze und Sträucher haben für Vögel und Insekten keinen Mehrwert. Sie dienen weder Nahrungsquelle noch Unterschlupf. Laut einer NABU-Studie ernährt der heimische (Gemeine) Wacholder 43 Vogelarten, während der häufig anzufindende Chinesische Wacholder nur einer Vogelart als Futterquelle dient. Auch der beliebte Kirschlorbeer hat weder für Vögel noch für Insekten einen herausragenden Nutzen.


Mit der Natur!

Ob Garten, Balkon oder Terrasse: Es gibt viele Möglichkeiten einen Beitrag zu leisten. Unter den nachfolgenden Links, Film- und Buchvorschlägen, sind zahlreiche gute Tipps und Informationen zu finden. Vom Anlegen einer Wildblumenwiese oder eines Naturgartens, Gestaltung eines insektenfreundlichen Balkons oder Terrassenkübels, vom Mehrwert und Nutzen von Wild- und Beikräutern, torffreier Erde, bis zu Empfehlungen und Anleitungen zum Bau von Nist- und Unterschlupfmöglichkeiten ist bestimmt für jeden etwas dabei.

 

Tipps & Links
Filme & Bücher

 

  • Die Humusrevolution (Ute Scheub, Stefan Schwarzer, Oekom-Verlag), ISBN: 978-3-86581-838-6
  • Selbstversorgung aus dem Garten (John Seymour, Kopp-Verlag), ISBN: 978-3-7831-6145-8
  • Der antiautoritäre Garten - Gärten, die sich selbst gestalten (Simone Kern, Kosmos-Verlag), ISBN 978-3-440-16218-7
  • Fertig zum Einzug: Nisthilfen für Wildbienen - Leitfaden für Bau und Praxis (Werner David, Pala-Verlag), ISBN: 978-3-89566-358-1
  • Der Biogarten - Das Original (Marie-Luise Kreuter, BLV), ISBN: 978-3-8354-1693-2
  • Welche Pflanze passt wohin im Naturgarten? Die ideale Kombination aus Arterhalt und Schönheit (Paula Polak, BLV), ISBN: 978-3-96747-004-8

In unserer Region tut sich was!

Verschiedene regionale Mitmachaktionen laden dazu ein, sich an der Gestaltung einer insektenfreundlichen Landschaft zu beteiligen:

Die Naturschutzstiftung Friesland-Wittmund-Wilhelmshaven (FWW) fördert die Anlage von artenreichen Wildblumenwiesen in der Region Friesland-Wittmund-Wilhelmshaven. Interessierte können einen Förderantrag stellen und von der Naturschutzstiftung zertifiziertes Regio-Saatgut bekommen. Zertifiziertes Regio-Saatgut besteht aus Samen heimischer Pflanzenarten aus der Region (Nordwestdeutsches Tiefland). Der Vorteil von Regio-Saatgut ist: Die Pflanzenarten sind heimische Arten und sind somit an die Bedingungen in der Region angepasst. Von und an ihnen leben viele heimische Insektenarten. Das Antragsformular kann auf der Homepage der Naturschutzstiftung FWW unter der Rubrik Leistungen – Wildblumenwiesenförderung heruntergeladen werden: www.naturschutzstiftung-fww.de

Die Gemeinde Wangerland und die Lenkungsgruppe „Erde und Flut“ rufen zu einem Wettbewerb Insektenfreundliche Gärten auf. Alle Gartenbesitzer Wangerlands können sich an dieser Aktion beteiligen. Infos unter: www.erdeundflut.de

Der Landkreis Friesland und die mobile Umweltbildung „Mobilum“ möchten mit ihrer Aktion Ein Quadratmeter Garten für Frieslands natürliche Arten kleine Biotope schaffen. Infos gibt es unter dem Stichwort „Mitmach-Aktion“ auf der Landkreis-Homepage: www.friesland.de

 

Bezugsquellen für Saatgut, Pflanzen und Erde

Zertifiziertes Regio Saatgut:

Samenfestes Saatgut:

Bio-Gärtnereien:

BUND Einkaufsführer Torffreie Erde: www.bund.net

Los geht´s!

Saatgut – den Bedingungen angepasst!

Es ist sehr erfreulich, dass es mittlerweile unzählige Angebote an insektenfreundlichem Saatgut gibt. Beim Anlegen einer Wildblumenwiese, Blühstreifen, insekten- oder bienenfreundliche Blumenkübel lohnt es sich, darauf zu achten, dass das Saatgut für die regionalen Ansprüche geeignet ist. Viele exotische Mischungen sind schön fürs Auge, haben aber nicht den optimalen Nutzen für unsere Insekten. Das gleiche gilt auch für Stauden. Denn nicht jede blütenreiche Staude bietet Pollen und Nektar.


Wo gibt es Saatgut und Pflanzen?

Wer auf der Suche nach Saat- und Pflanzengut ist, sollte zunächst bei regionalen Gärtnereien und Baumschulen anfragen. Beim Kauf vor Ort gibt es eine fachkundige Beratung und es werden Portokosten und Transportkilometer gespart. Ebenfalls freuen sich viele Hobby-GärtnerInnen, ihre Pflanzen und Samen zu teilen. Also einfach mal nachfragen! Weitere lohnenswerte Bezugsquellen sind regionale, private Pflanzen-Märkte (z.B. Pflanzenmarkt an der Accumer Mühle), die jährlich in den Frühjahrsmonaten stattfinden. Situationsbedingt gibt es derzeit leider keine verbindlichen aktuellen Termine. Nähere Informationen bitte bei den Kommunen erfragen.


Gemüseanbau mit samenfestem Saatgut!

Eine Pflanze ist samenfest, wenn aus ihrem Saatgut eine neue Generation wächst, die die gleichen Eigenschaften, wie die Elternpflanze hat. Im Gegensatz zum Hybridsaatgut, können samenfeste Sorten vermehrt werden. Das heißt, eigenes Saatgut kann gewonnen und im nächsten Jahr ausgebracht werden. Es handelt sich meistens um alte Sorten und ökologische Züchtungen. Der Kauf von samenfestem Saatgut spart langfristig Geld und ist ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt. Große Saatgutkonzerne kontrollieren den Welthandel. Bauern befinden sich in Abhängigkeit dieser Konzerne, sie gewinnen ihr Saatgut, bis auf wenige Ausnahmen, nicht mehr selbst. Der Verlust der Sortenvielfalt ist dramatisch. Samenfestes Bio-Saatgut gibt es in den meisten regionalen Bio- und Unverpackt-Läden und gutsortierten Gärtnereien und Fachmärkten.

Gärtnern ohne Torf!

Mit dem Abbau von Torf werden einzigartige Moor-Lebensräume und wichtige CO2 Speicher zerstört, es verschwinden in kurzer Zeit Biotope, die Jahrtausende gewachsen sind. Torf ist nur deshalb ein günstiger Rohstoff, weil die schlimmen Folgen für Natur und Klima im Preis nicht berücksichtigt sind. Fast jede konventionelle Gartenerde enthält Torf als Bodenverbesserer. Der meiste Torf für Deutschland stammt mittlerweile aus dem Baltikum. Dabei geht es auch ohne Torf! Kompost oder Mulch sorgen für einen nährstoffreichen Boden und gutes Wachstum. Wichtig ist, auf die Beschaffenheit des Bodens und die Ansprüche der jeweiligen Pflanze zu achten. Beim Einkauf von Erde also unbedingt auf das „Kleingedruckte“ achten.

Im Wittmunder Wald entsteht derzeit ein Projekt-Garten der Naturschutzstiftung Friesland-Wittmund-Wilhelmshaven. Hier soll gezeigt werden, wie ökologisches Gärtnern mit torffreier Erde und natürlichen Kreisläufen als Vorbild gelingen kann. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der Erprobung von „Terra Preta“, einem ökologischen Bodenverbesserer aus Kompost und Holzkohle.

Impulse und Gedanken regionaler Akteure!

Peter Bünting, Imker in der Bienengemeinde Sande

Einfach wachsen lassen!

„Einfach mal Nichtstun und beim „Bebunten“ der Gärten und Wiesen zuschauen. Am besten, indem man auf die Nutzung von Rasenmähern oder Mährobotern verzichtet, sich über die Wiese freut und erkennt, dass es so sein muss.
Die privaten Gärten sind die größten Nichtagrarflächen in Deutschland. Leider reicht es nicht, wenn nur wenige Menschen natürlich und insektenfreundlich gärtnern, denn die wenigen Flächen liegen zu weit auseinander und viele Insekten können nicht von einer "Insel" zu anderen wechseln. 80% aller Lebensmittel (auch Fleisch und andere Produkte) sind abhängig von der Bestäubung der Insekten. Auch unsere Nutztiere brauchen Futter, was durch Bestäubung entsteht“.

Birgitt Dirks, Lehrerin an der IGS Friesland Süd und RUZ-Mitarbeiterin

Der Schulgarten - mit und von der Natur lernen!

„Die Besonderheit eines Schulgartens ist vielfältig. Die Kinder lernen, woher das Gemüse kommt, das sie essen und welche Bedingungen geschaffen werden müssen, damit es gedeihen kann. Sie übernehmen Verantwortung, indem sie die Pflanzen pflegen und lernen so, Nahrungsmittel zu schätzen. Der Kreis schließt sich, wenn die Kinder das Selbstangebaute zubereiten und verzehren. Ein natürliches Umfeld, ein kleiner Garten, das Anlegen von Wildblumenbereichen und die Begrünung des Schulgeländes haben nicht nur einen besonderen Lerneffekt, die Aktionen tragen dazu bei, dass Schülerinnen und Schüler sich in ihrer Umgebung geborgener und wohler fühlen."

Hartmut Müller-Mangels, BUND Friesland e.V.

Gartenarbeit schafft Ausgleich - vor allem in der jetzigen Corona-Zeit

"Es bietet sich die Chance, die Kreisläufe der Pflanzen und Tiere mitzugestalten, kennenzulernen, interessante Erfahrungen und überraschende Beobachtungen zu machen und diese  zu tauschen und weiterzugeben.
Mit Blumenwiese, Gemüsebeet, Hecke oder Brache lassen sich viele Erlebnisräume (auch für Kinder) schaffen. Was ist im Garten leicht umsetzbar? Wenn Platz vorhanden ist, einige Ecken einfach unbearbeitet lassen, so dass sich die Natur frei
entwickeln kann. Stauden und Gräser erst zu Beginn des Frühjahres zurückschneiden. Material möglichst kompostieren, im Zweifel in die Biotonne. Eine Blumenwiese wenig mähen, mehr ausmagern, nicht düngen! Voraussetzung bei allem: Lust zur Gartenarbeit, Natur erleben wollen und sich wohlfühlen."

Meine Medientipps:

  • BUND - Kreisgruppe Ammerland Publikationen zur insektenfreundlichen Gartengestaltung: https://bund-ammerland.de/service/publikationen/
  • Reinhard Witt, Natur für jeden Garten ISBN 978-3-00-0411361-2
  • Tjards Wendebourg  Der Kies muss weg: Gegen die Verschotterung unserer Vorgärten ISBN 978-3-8186-1045-6
  • Werner David  Fertig zum Einzug: Nisthilfen für Wildbienen ISBN 978-3-89566-358-1

Imke Presting, Kräuterfrau im Glücksgarten

Verbundenheit und Freude!

"Auf die Frage, was ich als Kräuterfrau zur naturnahen Gartengestaltung gerne weitergeben möchte, habe ich lange überlegt. Ja, wichtig finde ich natürlich die Kenntnis über die Nutzung unserer Wildkräuter, so dass diese auch in jedem Garten wieder zu finden sind und natürlich die Bepflanzung mit heimischen Sträuchern, Frühblühern, Herbstblühern, das Stehenlassen von unaufgeräumten, wilden Ecken im Garten und natürlich im Herbst das Liegenlassen von Laub auf den Beeten und der konsequente Verzicht auf Pestizide und Herbizide natürlich auch.

Aber so wirklich wichtig finde ich, dass wir uns als Teil dieser wunderbaren, uns umgebenden Natur verstehen. Und zwar so wirklich als Teil der Natur, nicht als übergeordnete Instanz, die schaltet und verwaltet und bestimmt, wie die Natur sich zu verhalten hat. Wenn wir wieder fühlen, dass wir untrennbar und schicksalshaft mit allen Teilen der Natur verbunden sind, dann werden wir wissen, was die Geschöpfe in unserem Garten benötigen, wo wir helfen können, sie zu fördern und zu unterstützen. Und dann werden die Pflanzen und Tiere in unserem Garten uns mit reichlichem Wuchs und wunderschönen Farben und Formen beschenken. OK, wer diese Zeilen jetzt als zu vergeistigt, zu spirituell oder altmodisch findet, der hat natürlich Recht. Aber trotzdem ist es aus meiner Sicht der beste und einfachste Weg, im eigenen Garten der Natur zu dienen.

Vielleicht probieren Sie doch einfach mal aus, sich an einem schönen Frühlingstag mit einer Decke auf die Erde zu legen. Nur 5 Minuten lang, dann, wenn es sonst auch keiner sieht. Und fühlen Sie einfach die Erde unter sich, wie sie Sie sicher trägt und hören Sie die kleinen Insekten, wie sie krabbeln und summen, und fühlen Sie, wie die Pflanzen um Sie herum voller Saft und Kraft die Blätter und Stengel entwickeln und sich auf die neue Lebenszeit freuen. Und dann fühlen Sie diese Verbundenheit und es gibt Ihnen eine tiefe innere Freude. Diese Freude ist es, die auch an schlechten Tagen, an denen alles sonst vielleicht nicht so gut aussieht, Ihnen dann wieder hilfreich zu Seite stehen kann. Viele wunderbar entspannte Momente und unbeschwertes Gartenvergnügen ist auf jeden Fall etwas, was wir alle aus unseren Gärten mitnehmen dürfen und hierfür bin ich sehr dankbar."

 

Quellen

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Das Projekt „KÜSTENWANDEL“ wird gefördert durch: