Möwe spiegelt sich im Wattenmeer, Titelbild des Projekts Küstenwandel
Familie auf Wattwanderung spiegelt sich im Watt, Bild auf dem Kopf stehend

Fast-Fashion - Genug ist genug!

Viele große Modefirmen setzen auf schnelle und billige Trends. Onlinehandel und weltweit vertretene Filialen sichern der Fast Fashion Branche gute Gewinne. In den letzten Jahren etablieren sich weitere Fast Fashion Labels, welche sich ausschließlich Online präsentieren und über Social-Media-Kanäle vorrangig junge Menschen als Zielgruppe ansprechen. Ein chinesisches Label ist auf diesem Sektor marktführend und präsentiert wöchentlich über 2000 neue Styles - also noch mehr, noch billiger, noch schneller und per Mausklick direkt aus China angeliefert. Kleidungsstücke und Accessoires sind zur Wegwerfware geworden.

Laut Greenpeace werden allein in Deutschland jährlich ca. 1 Millionen Tonnen Altkleider gesammelt. Der Löwenanteil der ausrangierten Kleidung wird exportiert, auf Deponien entsorgt oder verbrannt, nur ein Bruchteil wird wiederverwendet oder recycelt.

Was sich beim Kauf zunächst nicht widerspiegelt, ist der wahre Preis für diesen verschwenderischen Konsumtrend, den Umwelt und Menschen gleichermaßen zahlen.

 

Wir alle haben die Wahl!

Für einen fairen und umweltbewussten Kleiderschrank können Verbraucher*innen und Produzent*innen nachhaltigere und verantwortungsvollere Wege gehen.

Wie diese aussehen, wo und warum noch viel mehr passieren muss, erfahren wir in einem Gespräch mit Aiske Schimmelpenning.

Aiske ist in Friesland aufgewachsen, hat Modedesign in Hannover studiert, lebt mittlerweile in Köln und arbeitet dort für ein kleines Mode-Label, welches ökologische und faire Kleidung produziert.

 

Küstenwandel: „Liebe Aiske, was hat dich motiviert über den Tellerrand hinauszuschauen, und einen alternativen Weg zu gehen?“

Aiske: „Natürlich wurden auch im Studium die Schattenseiten der Mode-Produktion thematisiert. Es ist klar, dass die derzeitige Form der Massenproduktion andere Menschen, Länder und den Planeten ausbeuten.  Folglich habe ich mich in meiner Bachelor-Arbeit intensiv dem Thema Nachhaltige Mode gewidmet.“

 

Küstenwandel: „Nicht nur Fast Fashion ist ein Begriff, wenn es um Kleidung geht, sondern auch Slow Fashion, Fair Fashion oder Nachhaltige Mode. Was steckt hinter den Bezeichnungen?“

Aiske: „Fast Fashion bezeichnet eine Unternehmensstrategie, deren Ziel es ist, in hoher Frequenz neue Mode in die Geschäfte zu bringen. In klassischen Modesegmenten wie der Haute Couture, der Pret-à-Porter und der mittelpreisigen Konfektionsware umfasst ein Modejahr zwei Zyklen (eine Frühjahr/Sommer- und eine Herbst/Winterkollektion). Bei Billiglabels erscheinen mittlerweile bis zu 24 Kollektionen im Jahr.“

Slow Fashion ist nicht nur der Gegenentwurf zur Fast Fashion. Slow Fashion ist ein Bewusstsein, eine wertschätzende Haltung, die sich alle Protagonisten der Mode einnehmen können. Die Designer, die bei ihren Entwürfen die Umsetzung mit innovativen, nachhaltigen Fasern mitdenken. Die Produzenten, die lokale Manufakturen mit der Realisierung beauftragen und dabei die Arbeitsbedingungen vor Ort im Auge behalten. Nicht zuletzt die Käufer*innen, die sich um weniger Konsum und nachhaltige Alternativen bemühen oder aber bereit sind, für menschenwürdige Arbeitsbedingungen und faire Löhne auch entsprechend höhere Preise für Kleidung zu zahlen. Slow Fashion ist nicht unbedingt an einen aktuellen Trend gebunden, dass macht sie zeitlos und die Kombinationsmöglichkeiten eines individuellen Styles sind vielfältiger.

Unter Berücksichtigung entsprechender Standards, ist die Produktion von Fair Fashion umweltverträglicher und sozial gerechter. Es geht um Transparenz und Wertschätzung des gesamten Herstellungsprozess eines Kleidungsstückes.

Nachhaltige Mode ist eigentlich ein Überbegriff und steht für faire und ökologisch produzierte Mode und somit auch für die Slow Fashion-Bewegung.“

 

Küstenwandel: „Wir alle brauchen Kleidung. Daher sind die niedrigen Preise und die Reize der neuesten Trends sehr groß. Warum ist ein bewusster Umgang mit Mode unausweichlich?“

Aiske: „Die meisten Konsument*innen machen sich leider kaum Gedanken über die Herkunft, die Verarbeitung, das Material oder welche Folgen diese schlechten Bedingungen mit sich bringen. Die schnellen Trends, die die Modewelt vorgeben, verleiten mehr zu kaufen als nötig. Die meisten Käufe sind Lustkäufe, animiert vom billigen Angebot der Modeketten, sich auch gleich 2-4 Teile zu kaufen. Die Kleidung geht in der Regel zwar schnell kaputt und ist nach kurzer Zeit schon wieder aus der Mode, aber genau das ist gewollt. Folglich führt dieses System zu einer Überproduktion. Umweltorganisationen kritisieren das Vorgehen der Modeindustrie. Denn die Produktion basiert in der Regel auf unsozialen Bedingungen und verbraucht Unmengen an Rohstoffen, Energie und Chemikalien.“

 

Küstenwandel: „Die Auswirkungen der Fast Fashion-Produktion sind dramatisch. Kannst du uns einige Zusammenhänge erläutern?“

Aiske: „Die Industrie schafft in erster Linie Müll und nicht Mode! Marktkenner schätzen, dass die Modeindustrie so viele Textilwaren produziert, dass ein Drittel davon erst gar nicht verkauft wird. Recycling ist ein Wunschdenken.

Große Modemarken werben zwar mit Recyclingkampagnen für eine Kreislaufwirtschaft, tatsächlich werden aber weniger als 1% zu neuen Kleidungsstücken recycelt. Aus Kleidung wird Isoliermaterial, Putztücher etc. (was nicht viel mit Kreislaufwirtschaft zu tun hat). Kleidung wird weggeworfen oder in Länder des globalen Südens exportiert, wo sie zum größten Teil auf Müllhalden landet oder verbrannt wird.

Über die Ausmaße des Exports von Textilabfällen informiert Greenpeace ganz aktuell im neuen Textil-Report: Vergiftete Geschenke – Von der Spende zur Müllhalde –.“

Link: https://www.greenpeace.de/publikationen/220421-greenpeace-factsheet-textilexporte-ostafrika.pdf

 

Aiske: „Weitere, sehr problematische Auswirkungen bringen Wasserverschwendung und Wasserverschmutzung mit sich! Für die Herstellung von 1 kg Baumwoll-Kleidung (Anbau und Produktionsprozess) werden im Schnitt 10.000 Liter Wasser benötigt. Eine Jeans verbraucht ca. 8.000 Liter. Baumwolle wird vorrangig in den Ländern angebaut, wo Wasserknappheit eine ernste Bedrohung darstellt. Zudem ist der Pestizideinsatz auf den riesigen Monokulturen erschreckend.

Neben Baumwolle und anderer Naturmaterialien, dient Polyester als Rohstoff für Kleidung. Die Kunstfaser hat vielseitige Eigenschaften und nimmt deshalb eine Spitzenposition unter den synthetischen Fasern ein. Sie ist sehr reiß- und scheuerfest und nimmt kaum Feuchtigkeit auf, daher wird dieser Stoff vor allem im Sport und Outdoorbereich eingesetzt. Hergestellt wird die Faser, wie auch andere Plastikarten, aus Erdöl.

Als eine der Hauptquellen für den Eintrag von Mikroplastik in die Meere (35 % des Gesamteintrages) erwies sich die Freisetzung von synthetischen Fasern während des Waschprozesses von Textilien."

 

Die Problematik ist outgesourct!

Aiske: „Mehr als 90 Prozent unserer Kleidung stammen aus Asien, insbesondere aus China, Bangladesch, Indien aber auch aus Mittel- und Südamerika. Die Textilindustrie profitiert von den mangelhaften Umweltschutzauflagen der Produktionsländer. Dort verunreinigt das Färben von Textilien Flüsse und Seen, denn die Chemikalien gelangen oft ungeklärt in die Gewässer oder die Kapazitäten der Kläranlagen reichen nicht aus. Greenpeace hat im Rahmen seiner Detox-Kampagne immer wieder giftige Substanzen in Gewässern festgestellt. Besonders alarmierend ist die Situation in China, wo 320 Millionen Menschen keinen Zugang mehr zu sauberem Trinkwasser haben. Über zwei Drittel der chinesischen Flüsse und Seen gelten als verschmutzt.

Die Verbraucher*innen erfahren nichts von den eingesetzten Chemikalien – auf den Etiketten wird ja nicht darauf hingewiesen. Hersteller waschen den Großteil der Kleidung mehrfach während der Produktion, damit sich erheblich weniger Schadstoffrückstände im fertigen Produkt finden. Dennoch können diese Schadstoffrückstände auch für die Träger*innen problematisch sein.

Die ZDF Doku Gift auf unserer Haut zeigt sehr gut, dass die Chemikalien in unserer Kleidung auch uns krank machen können.“

Link: Detox Textil-Report: https://www.greenpeace.de/publikationen/detoxreport-2021

 

Küstenwandel: „Obwohl die Technisierung in vielen Handwerksberufen immer weiter voranschreitet, besteht die Kleidungsproduktion nach wie vor primär aus Handarbeit und das kostet in Regel mehr.“   

Aiske: „Unsere Fast Fashion Kleidung wird nur dort produziert, wo es besonders günstig ist. Die weit verbreitete Armut unterstützt den Prozess. Heute sind vier Millionen Menschen an der Produktion von Kleidung beteiligt, 60% von ihnen sind junge Frauen. Einerseits gibt ein eigenes Einkommen die Chance, geschlechtsspezifische Ungleichheiten zu überwinden, andererseits erhalten sie fast nichts für ihre harte, krankmachende Arbeit. Für den Vintage- oder Used-Look einer Jeans beispielsweise, werden die Oberflächen der Textilien mit feinem Quarzsand unter Hochdruck sandgestrahlt. Der feine Staub setzt sich, ähnlich wie man das von Bergarbeitern kennt, in den Lungen der Textilarbeiter*innen fest und führt zu schweren Erkrankungen.

Die durchschnittlichen Lohnkosten einer Jeans liegen bei 1% des Verkaufspreises. Gewinne gehen an lokale Fabrikbesitzer, multinationale Handelsketten und das ungerechte Wirtschaftssystem.“

 

Küstenwandel: „Wie könnte man eine neue Trendwelle, ein neues Bewusstsein ins Rollen bringen?“

Aiske: „Die Verantwortung liegt gleichermaßen bei den Konzernen und den Konsument*innen. Leider werben viele Marken mit Nachhaltigkeit, sind aber nur als Trittbrettfahrer unterwegs und betreiben erfolgreich ‚Greenwashing‘. Eine wirkliche Veränderung seitens der Industrie hieße: weniger und umweltverträglicher zu produzieren (langlebiger, reparierbar und recycelbar) und faire Löhne unter fairen Arbeitsbedingungen zu gewährsleisten. Gesamtgesellschaftlich müsste der Anspruch auf ‚billig‘ und ‚immer alles zur Verfügung haben‘ überdacht werden.“

 

Küstenwandel: „Ohne gesetzliche Vorgaben ist die Umsetzung dieser Kriterien sicherlich schwer und langwierig.“

Aiske: „Die Ressourcen-Knappheit und der Zustand unseres Planeten, erlauben es der westlichen Welt eigentlich nicht, diese Lebensweise weiter zu führen, auch wenn sie der Grundstein für unser Wohlstand und Konsumverhalten ist.“

 

Küstenwandel: „Wie sieht bewusster Modekonsum konkret aus?“ „Hast du einige Tipps für uns?“

Aiske: „Qualität statt Quantität kaufen und das Konsumverhalten überdenken. Beim Kauf von neuer Kleidung sollten wir Qualität und Fairness zur Grundvoraussetzung machen. Vor dem Kauf, Zeit für Planung und Recherche investieren. Betrachtet die Kleidung als Investition, die einige Jahre halten sollte und bezieht die Produktionsbedingungen bei eurer Kaufentscheidung mit ein. Das bedeutet, gleichermaßen darüber nachzudenken, was ihr kauft und wo ihr es kauft.  Es gibt so viele Möglichkeiten, wirklich ethisch zu handeln. Ihr könnt Fair Trade Labels kaufen, ihr könnt euch für Labels mit Bio-Materialien und ethisch korrektem Umgang mit Ressourcen entscheiden. Hier leisten Textil-Labels eine gute Hilfestellung.“

Link zur Labelübersicht: https://kuestenwandel.de/kleidung/eine-gute-entscheidung

 

Küstenwandel: „Was ist deiner Meinung nach, der beste Weg?“

Aiske: „Der Kleidung ein längeres Leben geben. Also weniger zu kaufen und die Kleidung länger tragen. Das ist mit minderwertiger Qualität oft nicht möglich.                     

Gebrauchte Mode zu kaufen, ist nicht nur ökologischer, sondern es kostet auch weniger und ist, wenn das Kleidungsstück schon häufiger gewaschen ist, frei von Chemikalien. Besonders junge Menschen kaufen immer häufiger Second-Hand Mode. Hier ist eine Trendwende klar zu erkennen. Sie setzen auf Individualität und folgen mit ihrem Style keiner bestimmten, vorgegebenen Struktur.

Kleider-Tausch-Märkte oder Tauschpartys bieten ebenso eine gute Gelegenheit, neue Outfits zusammenzustellen. Forscher haben herausgefunden, dass das Tauschen von Kleidung, viel mehr Spaß macht als sie zu kaufen.

Mit kleinen Tricks und ein bisschen Geschick können wir Kleidung reparieren oder so ändern, dass sie zum besonderen Hingucker wird. Reichlich Anleitungen und Ideen gibt es im Internet, zum Beispiel auf Instagram: fixingfashion.community oder Nähwerkstatt Friesland.

Es ist schön anzusehen, wenn jeder seinen eigenen Style entwickeln kann und sich somit in seiner Kleidung widerspiegelt. Ich habe zu einigen meiner Kleidungsstücke eine ganz besondere Beziehung, da ich sie bewusst als ‚Reiseandenken‘ in den Second Hand Läden verschiedener Städte und Länder kaufe.“

 

Fotos: Susanne Balduff, Pixabay.de und Aiske privat

 

Quellen
  • https://labfresh.eu/pages/fashion-waste-index?lang=de&locale=de
  • https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/rekord-beim-textilmuell-jeder-deutsche-wirft-jaehrlich-4-7-kilogramm-kleidung-weg/25453254.html
  • https://nachhaltige-kleidung.de/news/fast-fashion-definition-ursachen-statistiken-folgen-und-loesungsansaetze/
  • https://www.careelite.de/slow-fashion/
  • https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/faire-mode-fast-fashion-101.html
  • https://fashionlifebalance.com/blog/fair-fashion/
  • https://www.greenpeace.de/publikationen/220421-greenpeace-factsheet-textilexporte-ostafrika.pdf
  • Heinrich Böll Stiftung/BUND: Plastik-Atlas 2019
  • https://www.nachhaltigleben.ch/mode/hm-oder-burberry-
  • http://www.fastfashion-dieausstellung.de/de/konsum

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